Wochenblatt 2019/48
In den folgenden Wochen wollen wir die Reihe "Persönliches aus dem Arbeitskreis" wieder aufnehmen. Wir wollen Ihnen unsere Erfahrungen und Gedanken mitteilen - aktuell und im Rückblick:
In dieser Jahreszeit gehen mir automatisch Gedanken darüber durch den Kopf was war und was kommt. Ich habe auch darüber nachgedacht, wie sich mein Leben durch die Patenschaft und die Erlebnisse mit den geflüchteten Menschen verändert hat
. Ich sehe heute viele Dinge sehr viel differenzierter.
Eigentlich wenig überraschend: geflüchtete junge Menschen sind in erster Linie eins – junge Menschen. Sie haben Hoffnungen und Träume, manchmal mehr, manchmal weniger realistisch. Sie können einem ganz schön auf die Nerven gehen und einem dann auch wieder zum Lachen bringen und positiv überraschen. Es gab in den letzten 4 Jahren eine Phase der ständigen Unsicherheit welche Dokumente, Termine, usw. auf keinen Fall versäumt werden dürfen, um Nachteile für die Betreffenden zu vermeiden. Alle Beteiligten waren (und sind es noch) häufig überfordert und die gesetzlichen Grundlagen ändern sich schneller als man sich auf den aktuellen Stand bringen kann. Unser Land ist schon sehr kompliziert, übrigens nicht nur für geflüchtete Menschen.
Es gab auch eine Phase der Angst vor Menschen, die das Wort Gutmensch als Schimpfwort geprägt haben. Ich habe aufgehört, Kommentare in Facebook zu lesen. Man verliert den Glauben an die Menschen, wenn man sich zu viel mit dem virtuellen Hass beschäftigt.
Ich habe gelernt, dass unser Bild von vielen Ländern ein sehr kleiner und verzerrter Ausschnitt der dortigen Realität ist. Dass es in vielen Fällen Zufall ist ob man das gute oder das schlechte Ende erwischt. Manchmal ist man einfach zur falschen Zeit am falschen Ort und verpasst haarscharf die Chance auf ein besseres Leben.
Das größte Geschenk aus all dem Erlebten ist die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat Angst zu haben und dass man selbst etwas bewirken kann. Wir haben hier fast alle das gute Ende erwischt. Meine Generation kennt keinen Krieg und keinen Hunger. Und wir sollten dafür sorgen, dass das auch so bleibt.
Ulrike Bach