I can't breathe oder 8:46
Wochenblatt 2020/24
Eigentlich wollte ich einen Artikel zu einem ganz anderen Thema schreiben. Aber der ermordete George Floyd geht mir nicht mehr aus dem Kopf.
Rassismus und Polizeigewalt - das gibt es in USA, aber auch in Deutschland und anderswo. Davon erzählen die Sprecher auf der Demonstration in Mannheim am Schloss. Ursprünglich angemeldet war die Veranstaltung am Samstag, den 06.06.2020 für das Gelände um den Wasserturm. Schnell war den OrganisatorInnen klar, dass nicht nur in Mannheim das Interesse und die Solidarität viel größer ist. So wird die Veranstaltung in den Ehrenhof des Mannheimer Schlosses umgelegt. Der reicht gerade so aus, um in Zeiten von Corona den nötigen Abstand einzuhalten. Es sind anstelle der erwarteten 650 rund 4.000 Menschen gekommen.
Bereits 20 Minuten vor der Veranstaltung ist der Ehrenhof meines Erachtens gut gefüllt. Von allen Seiten strömen die Menschen, wie von den Veranstaltern angeregt in schwarzen Oberteilen. Es kommen viele Familien und Kleingruppen - es sind unglaublich viele junge Leute. Sehr viele aussagekräftige Plakate werden mitgebracht. Man spürt, den TeilnehmerInnen ist dieses Thema wichtig. Es muss jetzt eine Veränderung in den Köpfen und im Verhalten erreicht werden. Mannheim und seine Bewohner stehen zusammen.
Zwei für die Veranstaltung in Mannheim veranwortliche junge Frauen eröffnen die Veranstaltung mit Schilderungen über Alltagsrassismus. Sprüche, Blicke und Situationen, denen sie jeden Tagen ausgesetzt sind. Auch die Musik und die Beiträge der folgenden RednerInnen befassen sich mit dem Thema Rassismus. Die Umstehenden reagieren mit Kopfschütteln, Empörung und Entsetzen über das Geschilderte. Bestätigendes Nicken kommt von Betroffenen.
Die Schweigeminute ist nicht nur für mich der emotionale Höhepunkt der Veranstaltung. In völliger Stille sitzen, liegen und knien Leute auf dem Boden. Plakate und Fäuste werden in die Höhe gereckt. Über die volle Dauer von 8 Minuten und 46 Sekunden. So lange hat der Polizist Derek Chauvin sein Knie in den Nacken von George Floyd gepresst. Als die Zeit abgelaufen ist, brandet Applaus auf. Die TeilnehmerInnen sind sichtlich berührt. Die Spannung, die sich löst, ist zu spüren.
Die Ermordung eines Menschen kann niemals etwas Gutes sein, und trotzdem bringt dieses Ereignis Dinge endlich ins Rollen. Ein neues Bewusstsein wird geschaffen. Kraftvoll und hoffentlich nachhaltig. Dabei ist es doch so unverständlich, dass man im Jahr 2020 überhaupt noch zu diesem Themenkomplex auf die Straße gehen muss.
Marion Sonko